von Kristin Frauenhoffer
Mitten in Hannover auf der Ihme liegt – wenn es nicht gerade unterwegs ist – ein Boot vor Anker. Dieses Boot ist kein gewöhnliches Boot, sondern nichts weniger als ein schwimmendes Kulturzentrum. Die ZuKunst ist zugleich Zukunftslabor und Kunstobjekt, daher der klangvolle Name. Es gehört dem Verein Makers for Humanity und wurde vom Künstler Joy Lohmann entwickelt. An Bord versammeln sich regelmäßig die unterschiedlichsten Menschen, um Gemeinschaft zu erleben, neue Lebensweisen zu erproben oder zusammen kreativ zu werden.
Open Island – von der schwimmenden Istallation zum Kulturboot
Doch von vorn: Joy Lohmann beschäftigt sich seit über 20 Jahren formal mit schwimmenden Installationen. Als er 2009 ein Kunstwerk schwimmender Gärten entwickelte, war er überrascht, wie schnell aus dieser künstlichen Insel ein lebendiges Biotop wurde. Über und unter Wasser explodierte die Natur förmlich. „Und da dachte ich: Das ist doch eigentlich viel mehr als Kunst. Das war mein Aha-Moment“, erzählt Joy im Gespräch mit good news for you. Seither arbeitet er mit einer wachsenden Community, die er in seinem Verein „Makers For Humanity“ vereint, daran, neues Leben auf und mit dem Wasser zu organisieren und zu verbreiten. Er entwickelte das modulare Schwimminselsystem „Open-Island“, das mittlerweile an verschiedenen Orten weltweit zum Einsatz kommt. Mit einem schwimmenden Biotop kann man Gewässer reinigen und renaturieren. Es wird aber auch für Aquakultur, als Brutstätte für Vögel oder für die Installation von Solaranlagen benutzt. Und eben auch als Kultureinrichtung, wie die ZuKunst.
Auf der ZuKunst ist eine Community entstanden, die nachhaltige Lebensweisen erprobt
Dieses „Kultur-Modul“, das motorisierte Hausboot, ist seit zwei Jahren auf den Wasserwegen in und um Hannover unterwegs und verkörpert ein weiteres Anliegen des Künstlers. „Die ZuKunst ist ein Reallabor für nachhaltiges Zusammenleben“, erklärt Joy. Auf dem kleinen sechseckigen Schiff finden nicht nur Singabende, Lagerfeuer- und Kochsessions oder Tanzworkshops statt. Es gibt auch einen Co-Working Space und ein Multimedia-Studio. Die Community, die sich dort bildet, will eine nachhaltige Lebensweise erproben und zeigen, dass diese viele Vorteile hat und glücklich machen kann. „Man trifft sich dort mit Menschen aus der Nachbarschaft, hat also kurze Anfahrtswege und damit wenig Mobilitätskosten. Man hat mehr Zeit und fühlt sich weniger gestresst. Die gemeinsamen Aktivitäten vereinen die Leute. Das alles steigert das Wohlbefinden“, beschreibt Joy die positive Wirkung der Gemeinschaft. So hat sich an Bord eine interdisziplinäre, achtsame Community gebildet, die sich miteinander und für andere engagiert. Denn nur wenn wir selbst den kulturellen Wandel positiv leben und erleben, wird er sich verbreiten, ist der Künstler überzeugt.
„Man muss etwas Verrücktes machen, damit es die Leute anzieht. Wenn wir an Bord über einem Lagerfeuer eine Suppe kochen, ist das eine Szene, die viele nur aus Asterix-Comics kennen.“
Auf die Frage, warum solch ein Projekt ausgerechnet auf dem Wasser errichtet wird und nicht einfach in einem Haus, antwortet Joy: „Man muss etwas Verrücktes machen, damit es die Leute anzieht. Wenn wir an Bord über einem Lagerfeuer eine Suppe kochen, ist das eine Szene, die viele nur aus Asterix-Comics kennen. Es ist einfach etwas Besonderes.“ Außerdem habe das Bootfahren auch einen besonderen Reiz. Auf einem Boot hängen alle Crewmitglieder voneinander ab. Wenn sich alle auf eine Seite lehnen, kentert das Boot. Wenn ein Sturm aufzieht, müssen alle anpacken, um zum sicheren Hafen zu kommen. Allein das erschafft ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Die Nähe zur Natur und die damit einhergehende Entschleunigung tun ihr übriges.
„Das Projekt wächst auf eine langsame und nachhaltige Art, das gefällt mir.“
Joy Lohmann ist davon überzeugt, dass wir für eine neue, andere Welt viele unterschiedliche Menschen mit einem ähnlichen Werteverständnis von Gemeinschaft und Kooperation, von Solidarität, Achtsamkeit und Lebensfreude brauchen. Er lädt deshalb alle, die Interesse haben, dazu ein, bei seinem Projekt mitzumachen. Über die kalte Jahreszeit ankert die ZuKunst zwar in ihrem Winterhafen, aber für das kommende Jahr hat der umtriebige Künstler schon so einige Pläne. So möchte Joy längere Touren anbieten, bei denen in den angesteuerten Häfen Zukunftsfeste stattfinden. Es soll interaktive Ausstellungen geben und weiterhin Workshops und Gemeinschaftsaktionen. „Das Projekt wächst auf eine langsame und nachhaltige Art, das gefällt mir“, sagt er.
Internationale Online-Konferenz am 25. November
Wer sich noch in diesem Jahr Inspirationen holen möchte, kann am 25. November bei der internationalen Online-Konferenz inklusive Workshop „Floating Futures“ dabei sein. Dort kann man sich viel Wissen zu Bau, Nutzen und Implementierung von schwimmenden Inseln holen und in interdisziplinären Teams kreativ werden. Denn der Bau der Inseln ist kein Geheimnis, sondern kann – ganz im Sinne einer Open Source – von jeder und jedem, der möchte, aktiv weiterentwickelt werden. Es geht darum, die Potenziale von Wasserflächen ober- und unterhalb des Wasserspiegels für viele Menschen weltweit zugänglich zu machen und co-kreativ Lösungen für ein weites Anwendungsspektrum zu entwickeln.
Mehr Informationen zur Konferenz finden sich hier.
Weiteres zur ZuKunst kann man hier nachlesen.
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