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Auch 90-Jährige schauen gern YouTube

Der Verein „Wege aus der Einsamkeit e. V.“ bietet unter anderem kostenlose Smartphone- und Tabletschulungen für die Generation 65+ an.
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von Kristin Frauenhoffer

Foto: Wege aus der Einsamkeit e.V.
Dagmar Hirche und die Versilberer-Gruppe im Digitalen Lernzentrum bei facebook am Potsdamer Platz in Berlin (Foto: Wege aus der Einsamkeit e. V.).

Neulich bekam ich eine WhatsApp-Nachricht von meiner 80-jährigen Schwiegermutter, in der sie mir ein Foto von einem Ausflug und dazu das Symbol einer Sonne schickte. Ich hatte das Symbol selbst noch nie gesehen und fragte mich verdutzt, wo sie es wohl gefunden hatte. Als ich sie darauf ansprach, zeigte sie es mir und ich konnte nicht glauben, dass ich selbst nicht darauf gekommen war. Was an dieser Geschichte merkwürdig ist? Nun ja, ältere Menschen und Medienkompetenz – das passt doch nicht zusammen. Was soll denn ein 80-Jähriger mit einem Smartphone oder eine 92-Jährige mit einem Tablet?

„Ich finde es unerhöhrt, diese Frage überhaupt zu stellen“, sagt Dagmar Hirche, Vorsitzende des Vereins „Wege aus der Einsamkeit“. Schließlich existiere vieles in unserer Welt nur noch digital. Seien es Informationen zu bestimmten Dienstleistungen, Online-Banking oder auch unsere Kommunikation. Die Frage sei deshalb nicht, ob wir die Generation 65+ in die digitale Welt mitnehmen, sondern wie wir das tun.

Tablet- und Smartphonekurse für alle über 65

Hier hat sich der Hamburger Verein vor sechs Jahren zum Ziel gesetzt, mit der Zeit zu gehen und unter dem Titel „Wir versilbern das Netz“ Tablet- und Smartphonekurse für ältere Menschen anzubieten. Es gibt zwar schon seit längerem Computerkurse, aber heutzutage benutzen die wenigsten noch Computer. Das Smartphone und das Tablet sind die Alltagsbegleiter schlechthin. Auch wenn sich ältere Menschen schwerer tun, die Bedienung der Geräte zu erlernen. Sie sind doch alle glücklich, wenn sie es schließlich schaffen und zum Beispiel mit ihren Enkeln kommunizieren können.

WhatsApp, YouTube, Wikipedia… und die Toilettenfinder-App

Das sei auch eine der Hauptinteressen der Senior*innen: den Anschluss nicht zu verlieren und in Kontakt zu bleiben. Deshalb sind Messagingdienste wie WhatsApp und Co. auch besonders beliebt. Auch Media- und Audiotheken kommen gut an bei den älteren Leuten. Hier können sie zum Beispiel verpasste Fernsehsendungen anschauen. „Sie lieben auch Erklärvideos auf YouTube. Die sind einfach viel verständlicher als Text“, sagt Dagmar Hirche, die die Kurse zum Teil selbst leitet. Aber natürlich hat diese Generation auch ganz eigene Bedürfnisse und so stehen bei den Apps die Toilettenfinder-App und wheelmap ganz hoch im Kurs. Auf wheelmap wird weltweit registriert, welche Wege oder Gebäude barrierefrei sind. Das ist nicht nur für ältere und eventuell an den Rollstuhl gebundene Menschen interessant, sondern ebenso für Familien mit Kinderwägen. Dann könnte beim nächsten Städtetrip mit Kleinkind vielleicht sogar ein älterer Mensch mit einem Smartphone Tipps geben, welcher U-Bahnhof geeignet ist und welchen man besser meiden sollte. Das wäre doch dann auch ein schönes Beispiel für die Umkehrung der Norm.

Anarchie im Kursraum

Digitales Lernzentrum bei facebook in Berlin mit Dagmar Hirche (Foto: Wege aus der Einsamkeit e. V.)

Die Kurse, die mittlerweile nicht nur in Hamburg, sondern auch in Berlin stattfinden, werden „Gesprächsrunden“ oder „Versilberer Cafés“ genannt und sind kostenlos. „Wir wollten die Hürde zum Teilnehmen gering halten. Deswegen heißen die Kurse auch nicht Schulungen oder Seminare. Denn viele der älteren Menschen haben uns gesagt, dass sie zu so etwas nicht hingehen würden. Aber zu einer Gesprächsrunde mit Kaffeetrinken schon“, erklärt Dagmar Hirche. Und der Erfolg gibt ihnen recht. Anfangs noch ein Projekt von vielen des Vereins, ist „Wir versilbern das Netz“ mittlerweile zur Hauptaufgabe geworden. 5.000 Senior*innen wurden in den beiden Städten bereits geschult und die Nachfrage ist riesig. Mittlerweile herrsche bei den Kursen in Berlin Anarchie, sagt Frau Hirche. Denn statt der 10 Teilnehmer*innen kommen regelmäßig 40 oder 50. Mittlerweile gibt es in Berlin seit drei Jahren einen Partner – Facebook –, der im Digitalen Lernzentrum kostenfrei Räumlichkeiten zur Verfügung stellt.

Das Image des Alters positiv verändern

Das zeigt, dass Bedarf besteht und die Generation 65+ völlig zu unrecht bei der Digitalisierung außen vor gelassen wird. Viel zu oft denken wir noch in Schubladen und nehmen an, sobald man ins Rentenalter eintritt, interessiert man sich automatisch nur noch für Volksmusik und Handarbeit. Dabei ist jeder Mensch einzigartig und verliert nicht plötzlich das Interesse an allem. Der Verein „Wege aus der Einsamkeit e. V.“ hat sich deshalb vor 12 Jahren zum Ziel gesetzt, das Image des Alters zu verändern. „Für uns ist Antiaging überhaupt kein Problem“, sagt die 62-jährige Dagmar Hirche lachend. Im Gegenteil, sie sei stolz darauf, alt zu sein. Auf der Facebookseite des Vereins findet man ausschließlich positive und konstruktive Posts zum Altern. Folgendes Video (Vorsicht: Ohrwurm!!!) versprüht so viel Lebensfreude, dass man einfach gar nicht anders kann als gleich zu tanzen anzufangen! Und auch die anderen Projekte des Vereins lassen die Vorstellung vom Alter, die man sonst hat, nicht alt, sondern jung aussehen.

Seniorentreffs sind out, Clubs sind „in“

Da gibt es zum Beispiel den Bericht vom Weltseniorentag, der jedes Jahr am 1. Oktober begangen wird. Vor sechs Jahren begann es mit einem Seniorenflashmob am Hamburger Hauptbahnhof. Mittlerweile sind das Senior*innen-Speeddating und die Senior*innen Silentdisko hinzugekommen. Ja, richtig gelesen! Auch Menschen jenseits der 65 treffen gern Gleichgesinnte und amüsieren sich beim Tanzen. So einfach ist das. Beim Speeddating geht es darum, Menschen mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen. Für die Disko öffnen Clubbesitzer*innen am Nachmittag von 11 bis 15 Uhr ihre Türen und dann bebt der Dancefloor. Die neue Generation Senior*innen möchte nicht mehr zu so genannten „Seniorentreffs“, sondern sie wollen tanzen. Und das nicht etwa zu Volksmusik, sondern zu Rock und Pop. Dieses Jahr kamen 300 Teilnehmer*innen und es werden von Jahr zu Jahr mehr. So viel mehr sogar, dass nun ein Ball für mehrere Hundert Teilnehmer*innen geplant ist.

Kostenloses WLAN in allen Seniorenheimen

Dagmar Hirche, Vorsitzende von „Wege aus der Einsamkeit e. V.“ (Foto: Wege aus der Einsamkeit e. V.)

Es ist an der Zeit, beim Thema „Alter“ grundsätzlich umzudenken. Schließlich werden wir alle alt und möchten dann weder ausgeschlossen noch in eine Schublade gesteckt werden. Die Digitalisierung liegt dem Verein allerdings besonders am Herzen. Und der freie Zugang zum Internet ist einer der Schlüsselaspekte. Eine Forderung des Vereins ist daher zum Beispiel kostenloses WLAN in allen Seniorenheimen. Gerade ältere Menschen, die nicht mehr rausgehen, können davon profitieren. Sie bleiben virtuell mit ihrer Familie und ihren Freund*innen in Kontakt und kämen sich weniger isoliert vor. Die freie und kostenlose Verfügbarkeit ist dabei ein Muss. Denn nicht wenige ältere Menschen leben an der Grenze zur Armut und können sich auch einen kleinen Betrag nicht leisten. „Diese Spaltung der Gesellschaft muss aufhören“, sagt Dagmar Hirche.

Wir alle können dazu beitragen, ältere Menschen mehr einzubinden

Sie ist außerdem davon überzeugt, dass jede*r von uns dazu beitragen kann, die ältere Generation mehr einzubinden. Sie erzählt von einem jungen Mann, der allein lebt und gerne kocht. Seine Idee, die älteren Nachbar*innen zum Essen einzuladen, kommt super an. So hat jede*r etwas davon. In München ist gerade eine Gruppe junger Leute dabei, das Projekt „Wir versilbern das Netz“ auch dort zu realisieren. Woanders werden ehrenamtlich Spielnachmittage für Jung und Alt organisiert. Es muss kein großes Projekt sein, sondern kann ganz klein beginnen. So wie die Smartphonekurse des Vereins „Wege aus der Einsamkeit“ vor sechs Jahren.

Wer mehr zum Verein „Wege aus der Einsamkeit e. V.“ erfahren möchte, kann sich auf der Homepage umschauen: www.wegeausdereinsamkeit.de.

Für alle, die zögern, ob sie sich im fortgeschrittenen Alter noch ein Smartphone oder Tablet zulegen sollen, gibt es ganz neu jetzt das „Mutmachbuch“ zu kaufen. Ganz analog mit der ISBN-Nummer 978-3-96194-081-3 im Handel. Der Buchpreis beträgt 16,00 Euro.

 

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