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foodsharing: Lebensmittel retten, die noch gut sind

„Die geretteten Lebensmittel sind für alle da. Wer sie verwendet, leistet einen wichtigen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung.“
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Interview: Isolde Hilt

Lizzy Love von der foodsharing-Community in Regensburg

foodsharing ist eine Initiative, die 2012 in Berlin ihren Anfang nahm. Leute engagieren sich ehrenamtlich gegen Lebensmittelverschwendung. Sie retten ungewollte und überproduzierte Lebensmittel in privaten Haushalten sowie von kleinen und großen Betrieben. Sie setzen sich für einen Wegwerfstopp und gegen Unmengen von Verpackungen ein.

Die foodsharing-Community ist inzwischen zu einer großen internationalen Bewegung mit über 200.000 Nutzer*innen herangewachsen und in Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen europäischen Ländern zu finden. Sogar über den großen Teich hat sie es schon geschafft. Auf der Plattform foodsharing.de erfährt man alles Wichtige und wie man sich beteiligen kann.

Lizzy Love gehört zu den Foodsavern in Regensburg. Wie das Engagement gegen Lebensmittelverschwendung in der Praxis aussieht, erzählt sie in diesem Interview.

  

Seit wann gibt es foodsharing in Regensburg? Wie viele Leute engagieren sich bei euch?

In Regensburg gibt es die Plattform seit 2015. Bei uns engagieren sich zur Zeit 641 Foodsaver, 10 Botschafter*innen und 80 „Schlafmützen“. Letztere sind Leute, die sich aus persönlichen Gründen gerade nicht einbringen können.

Wie kann man sich das Lebensmittel-Teilen vorstellen?

Foodsharing läuft im Grunde sehr einfach ab: Wir als Foodsaver tragen uns online in offene Supermarkt-Restaurant-Slots ein. Das ist auf der Seite von foodsharing detailliert beschrieben – die Uhrzeit, der genaue Standort für die Abholung und auch Details zum Betrieb. Da kann zum Beispiel stehen, dass man erst kommen soll, wenn keine Gäste mehr da sind.

Wir nehmen dann alles mit, was uns der Betrieb bereitgestellt hat. Man sollte hier keine Ausnahmen machen oder wählerisch sein. Wir verteilen die Lebensmittel erst einmal unter den anwesenden Foodsavern, also denjenigen, die abholen. Das, was wir selbst oder unsere Familien, Freund*innen und Bekannte nicht verwerten können, bringen wir in Regensburg zu zwei sogenannten „Fairteilern“. Die Menge an Nahrungsmitteln übersteigt meistens den engeren Kreis.

Woher bezieht ihr die Lebensmittel? Wer und wie viele geben an euch ab?

Momentan sind es laut Online-Statistik 180 Betriebe, davon 38 laufende Kooperationen in Regensburg. Supermärkte wie REWE, Kaufland, Alnatura, der Biosupermarkt DENS, aber auch Gastronomiebetriebe wie „Anna liebt Brot“, das Café Jolie oder die Kuchenbar gehören dazu. Viele Betriebe wollen jedoch nicht öffentlich genannt werden. Warum, das weiß ich nicht.

Die Qualität ist ok?

Ja. Viele verpackte Lebensmittel haben das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht überschritten. Bei einem Großteil der Lebensmittel ist das Mindesthaltbarkeitsdatum aber auch der Wegwerf-Grund. Wie der Name aber schon sagt, handelt es sich um die Mindesthaltbarkeit und nicht um das Verfallsdatum. Die Qualität von Obst und Gemüse ist auch in Ordnung. Manchmal sind „Schönheitsfehler“ mitinbegriffen, aber Geschmack und Qualität der geretteten Lebensmittel sprechen für sich.

Welche Lebensmittel bekommt ihr? Ist darunter auch Gekochtes?

Es ist wirklich alles dabei, ausnahmslos! Obst, Gemüse, Kräuter, Brot, Semmeln, Gebäck, Milchprodukte, Fleischprodukte – diese aber nur vakuumiert und zu kühlerer Jahreszeit.

Proteinshakes, Säfte, Suppen, Curries, Kuchen … Und gekochtes Essen retten wir natürlich auch.

Für wen sind die Lebensmittel gedacht?

Für alle Menschen. Unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem sozialen Status, ihrem Glauben oder anderen persönlichen Eigenschaften sollen alle die Möglichkeit haben, gerettete Lebensmittel zu erhalten.

Wir freuen uns über alle Menschen, die an unserem großen Ziel mitarbeiten. Egal, ob sie Lebensmittel retten oder dabei helfen, die geretteten Lebensmittel zu verbrauchen. Oder ob sie auch dabei mithelfen, Wissen über Lebensmittel und Lebensmittelverschwendung zu vermitteln, um das Bewusstsein für dieses wichtige Thema zu fördern.

Wahrscheinlich könntet ihr Lebensmittel für mehr Standorte erhalten, oder?

Ja und nein. Das ist wirklich abhängig von den Kooperationsbetrieben. Die Betriebe sehen sich langsam auch mehr in der Verantwortung, weniger Lebensmittel einfach wegzuwerfen. Sie haushalten besser. Je weniger wir retten müssen, umso nachhaltiger und verantwortungsbewusster wurde in den Betrieben gewirtschaftet.

Wie wird das Engagement von foodsharing angenommen?

Zum größten Teil wirklich sehr gut. Es gibt jedoch immer noch etwas Misstrauen in der Gesellschaft, weil es umsonst ist. Oder weil man als Einzelne*r sogar noch etwas Gutes tut, wenn man die geretteten Lebensmittel mitnimmt und verwertet. Wenn ich die Fairteiler auffülle, fragen mich viele Leute, ob sie auch Lebensmittel mitnehmen dürfen, obwohl sie genug verdienen, um sich selbst welche zu kaufen.

Wobei könntet ihr noch Hilfe gebrauchen?

Es wäre schön, wenn wir bei der Aufklärung über gerettete Lebensmittel noch mehr Unterstützung hätten. Wir bräuchten noch mehr Aufmerksamkeit für die enorme Lebensmittelverschwendung. Weltweit werden jedes Jahr ca. 4 Milliarden Tonnen Lebensmittel produziert. Davon werden über 1,3 Tonnen verschwendet.

In Industriestaaten bestehen ca. 40 Prozent der verschwendeten Nahrungsmittel aus völlig genießbaren Lebensmittel. Wir alle sind dafür verantwortlich, dass Lebensmittelhändler, Zwischenhändler, Produzenten und Gastronomen jedes Jahr Millionen von Tonnen an Lebensmittel wegwerfen.

Noch etwas, das dir wichtig ist?

Zwei Drittel der gesamten Lebensmittelverschwendung könnten durch das Engagement von Lebensmittelbetrieben, Foodsavern und Privatpersonen eingespart werden. Nur gemeinsam können wir den Wahnsinn der Überflussgesellschaft stoppen, indem jede*r seinen Teil dazu beiträgt und verantwortlich handelt.

Gerade jetzt in dieser Krisenzeit rückt die Verantwortung gegenüber Mitmenschen und der Umwelt noch einmal mehr ins Licht. Hier können wir etwas gemeinsam bewegen!

Die Idee von foodsharing in einem kurzen Video erklärt:

https://www.youtube-nocookie.com/embed/6lJtk1XE148?rel=0

 

PS: Eben wurde in Bayern bekannt gegeben, dass aufgrund der Corona-Krise die Ausgangssperre gilt. Andere Bundesländer ziehen nach. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die foodsharing-Community, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Unter https://wiki.foodsharing.de/FAQ_zu_Corona_und_foodsharing findet sich detailliert, was zu beachten und welche Regeln einzuhalten sind.

 

Weitere Infos unter: https://foodsharing.de/

 

Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt.

 

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Rettergut: Leckeres aus geretteten Lebensmitteln

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Eine Antwort

  1. Wir sind ebenfalls begeisterte Lebensmittelretter und kaufen regelmäßig auf der App To Good To Go ein. In Supermärkten kaufen wir gezielt das preisgünstige unschöne Obst und Gemüse sowie sonstige bald ablaufende Lebensmittel.
    Auch finden wir diese s.g. Fairteiler eine tolle Idee und haben eine solche Box direkt vor dem Haus der Nachbarin.
    Nur leider wurde uns verboten, uns aus dieser Box zu bedienen. In sämtlichen Foren und Blogs heißt es stets nur, dass diese Fairteiler für alle Menschen gedacht sind. Es wird aber nirgendwo erwähnt, daß die Eigentümer*innen dieser Fairteilerboxen offensichtlich sehr wohl selektieren dürfen, wer sich bedienen darf und wer nicht. Dies war für uns eine sehr unangenehme, beleidigende und diskriminierende Situation. Statt dessen beobachten wir nun ab und an, dass nicht immer alle in der Box angebotenen Lebensmittel abgeholt werden, von denen wir jedoch gern noch das ein oder andere verwerten würden.

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