von Oxana Bytschenko
Acht Handys liegen in meiner Wohnung. Fünf davon haben sogar Knöpfe und wurden seit Jahren nicht mehr gestartet. Auch sind die Smartphones, die heute im Umlauf sind, meist nicht reparierbar. Insgesamt wird ein Smartphone nach Greenpeace-Angaben im Schnitt nur 2,7 Jahre genutzt. Rein rechnerisch müsste ich also seit dem ersten Gerät im Jahr 2005 mindestens sechs Geräte verschlissen haben. In jedem Gerät steckt viel Plastik, aber auch wertvolle Edelmetalle, die unsere Erde nicht endlos produziert. Und: Jedes Handy wurde unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt, hat lange Transportwege hinter sich und kostet viel Geld.
10,3 Kilogramm Elektroschrott pro Kopf
Andererseits ist eine Welt ohne diese Geräte nicht mehr denkbar. Sie erleichtern uns das Leben und eröffnen uns neue Welten. Ein Dilemma – und dieses wollen drei Unternehmer aus Hessen entschärfen: Designer und Erfinder Carsten Waldeck, sein Bruder und Mediengestalter Samuel sowie ihr Vater Rolf, inzwischen Rentner und früherer Leiter einer sozialen Einrichtung. In Falkenberg bei Kassel haben sie 2014 die Shift GmbH gegründet, um reparierbare und nachhaltige Smartphones herzustellen. Im September haben sie den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen.
Pro Jahr fallen nach einem UN-Report etwa 50 Millionen Tonnen Elektroschrott an, nur 20 Prozent davon können wiederverwertet werden. 10,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr sind es allein in Deutschland. Ständig kommen neue Geräte auf den Markt, die die Nutzer*innen zum Kauf verführen sollen. Die Waldecks dagegen wollten ein Unternehmen aufbauen, „das sich nicht an Gewinnmaximierung, sondern an Sinnmaximierung orientiert“, heißt es in ihrem Wirkungsbericht.
Familienunternehmen lebt die Kreislaufökonomie
Also bauten sie. Die Shiftphones, wie ihre Geräte heißen, lassen sich leicht öffnen, damit die Nutzer*innen sie selbst reparieren können. Wenn die Technik alt wird, gibt es günstige Updates. Klar produzieren sie mit ihren Smartphones auch Elektromüll. „Aber wir wollen so wenig Schaden wie möglich anrichten“, sagt Carsten Waldeck. Sie haben das Unternehmen ohne Investoren, nur mit Crowdfunding gegründet und stecken seitdem alle Gewinne in die Weiterentwicklung der Geräte sowie in nachhaltige und soziale Projekte. Zurzeit arbeiten sie an einem leistungsstarken Laptop mit Nachhaltigkeitsfaktor.
Die Geräte werden zwar auch in China gefertigt, wie namhafte Geräte von Apple, Samsung und Co. „Es ist derzeit tatsächlich der Umwelt zuliebe nachhaltiger, in China zu fertigen“, erklärt Waldeck. Denn die Platinen, Sensoren, Displays und Kameras kommen aus dem asiatischen Raum. „Diese müssten aufwändig verpackt und klimakontrolliert per Luftfracht exportiert werden und würden somit sehr viel mehr Verpackungsmüll produzieren“, erklärt er. Um jedoch faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten sowie Kinderarbeit auszuschließen, hat das Unternehmen aus Hessen eine eigene Manufaktur in der chinesischen Stadt Hangzhou aufgebaut. Dort gilt auch die deutsche 40-Stunden-Woche.
Das Pfandflaschenprinzip für Shiftphones
Die Smartphones der Shift GmbH werden ohne Kabel geliefert, weil inzwischen in jedem Haushalt genug Ladekabel herumliegen. Dafür liegt ein Schraubenzieher bei, um die Smartphones selbst zu reparieren. Der Gedanke der Nachhaltigkeit setzt sich weiter fort beim austauschbaren Akku, Display, bei der Verpackung aus Naturkarton und beim Zurücksenden. Jede Käuferin und jeder Käufer muss ein Pfand hinterlegen. Wer das Handy nicht mehr haben möchte, bekommt sein Geld zurück. So bringen die drei Gründer Nutzer*innen dazu, ihre Geräte wieder abzugeben, damit die wertvollen Komponenten recycelt werden können.
Der bewusste Umgang mit Ressourcen darf vom Unternehmen auch auf die Nutzer*innen abfärben. Deshalb steht am Shiftphone auch eine Warnung: „Smartphones können Zeitfresser sein. Es gibt kein besseres Geschenk für dich heute als die nächsten 24 Stunden. Nutze sie weise. Menschen sind wichtiger als Maschinen.“
Und sie sind nicht austauschbar, wie etwa Smartphones.
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