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Scewo „Bro“: ein Rollstuhl, der Treppen steigen kann

Treppen sind für Rollstuhlfahrer*innen oft unüberwindbar. Die Erfindung eines Schweizer Start-ups löst dieses Problem.
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von Florian Roithmeier

Für Menschen mit Behinderung sind sie ein fast unüberwindbares Hindernis: Treppen. Das Start-up-Unternehmen Scewo aus der Schweiz hat einen Rollstuhl entwickelt, der dieses Problem löst. Der „Bro“ ist ein Rollstuhl, der Treppen steigen kann. Natalie Rotschi, Junior Marketing Managerin von Scewo, hat good news for you im Interview mehr über diese Erfindung verraten.

 

Frau Rotschi, wie kam es zu der Idee, diesen besonderen Rollstuhl zu entwickeln?

Die Idee hatte unser CEO Bernhard Winter 2014 im Rahmen eines Abschlussprojekts an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Gemeinsam mit anderen Studierenden und der Zürcher Hochschule der Künste haben sie den ersten Prototypen entworfen, damals noch unter dem Namen „Scalevo“. Nach dem Studium haben Bernhard Winter, Thomas Gemperle und Pascal Buholzer das Unternehmen Scewo gegründet und mit ihrem Team den Prototypen weiterentwickelt. Daraus ist später unser Serienmodell „Bro“ entstanden.

Welche Menschen sind noch beteiligt?

Bernhard Winter, einer der Erfinder des „Bro“.

Wir haben 26 Mitarbeitende aus den Bereichen Mechanik, Software, Design, Marketing und Sales. Die gemeinsame Vision, in der Gesellschaft ein Umdenken zu erreichen und die Welt Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich zu machen, treibt uns an. Die Technologien neu zu kombinieren und mit einem einzigartigen Design zu ergänzen, motiviert uns täglich, unser Produkt weiterzuentwickeln.

Nun zum Rollstuhl selbst: Für wen ist er gedacht?

Der Rollstuhl ist für alle geeignet, die einen Elektrorollstuhl mit Hand-Joystick steuern können. Es wird jedoch keine starke Fingermuskulatur vorausgesetzt, da man den Joystick so einstellen kann, dass er auch auf geringe Bewegungen reagiert. Unser Rollstuhl ist etwas für jede*n, der oder die nach Selbstständigkeit und Mobilität strebt.

Auf den ersten Blick sieht der Rollstuhl aus wie eine Mischung aus Segway und Pistenraupe. Wie funktioniert er genau?

Unser Elektrorollstuhl fährt auf zwei Rädern und wird mit einem Joystick bedient. Das ist anders als bei einem Segway, bei dem man Richtung und Geschwindigkeit durch die Verlagerung des Körpergewichts steuert. So können auch Menschen ohne Rumpfstabilität unseren Rollstuhl benutzen.

Wechselt der Fahrer aus dem Parkmodus in den Fahrmodus, merkt sich der Rollstuhl den Schwerpunkt und balanciert Gewichtsverlagerungen oder eine Steigung beim Fahren automatisch aus. Der Fahrer sitzt so immer aufrecht, auch, wenn er gerade eine Treppe hochfährt.

Treppen fährt der Rollstuhl rückwärts hoch und vorwärts runter. Dabei fährt er nur auf zwei sogenannten Raupen. Erreicht man das Treppenende, werden zwei Stützräder ausgefahren. So stellen wir sicher, dass es einen sanften Übergang zwischen Treppenende und der Plattform gibt. Danach kann man über die Steuerkonsole oder das Smartphone wieder in den Fahrmodus wechseln.

Welche Sicherheitsmechanismen gibt es, damit man zum Beispiel nicht mit dem Rollstuhl umkippt, während er die Treppen hochfährt?

Das Sicherheitssystem des Rollstuhls informiert mittels Warntönen und Benachrichtigungen über kritische Situationen. Die Raupen sorgen dafür, dass der Rollstuhl auch auf der Treppe sicher fährt. Wenn der Fahrer auf der Treppe beginnt, schräg zu fahren, blockiert der Rollstuhl die Weiterfahrt, bis man ihn wieder gerade gestellt hat.

Sie liefern den Rollstuhl seit Juli aus. Wohin?

Wir haben mit den ersten Auslieferungen in der Schweiz, Deutschland und Österreich begonnen. Aktuell sind wir dabei, unsere Produktion auszubauen und die Kapazitäten zu erhöhen. Dann steht uns nichts mehr im Weg, zuerst Europa und dann Schritt für Schritt den Rest der Welt zu erobern.

Der Rollstuhl kostet umgerechnet etwa 33.000 Euro. Nicht gerade günstig …

Ein vergleichbarer Elektrorollstuhl ohne Treppensteigfunktion kostet zwischen 20.000 und 24.000 Euro. Ein Treppenlift kostet zusätzlich etwa 8.000 Euro pro Stockwerk. Unser Elektrorollstuhl kombiniert beide Funktionen. Außerdem kann man einen Treppenlift nicht einfach überall hin mitnehmen.

Wir sind davon überzeugt, dass wir Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, mit unserem „Bro“ flexibler und selbstständiger machen können.

Über einen Joystick und das Smartphone lässt sich der Rollstuhl bedienen.

Übernehmen Krankenkassen die Kosten?

Das hängt vom Einzelfall ab. Wir hatten bereits Fälle, in denen der Rollstuhl mitfinanziert wurde. Neben der Krankenkasse gibt es weitere Institutionen, die bei einer Finanzierung unter die Arme greifen. Dazu gehören in Deutschland die Rentenanstalt, die Berufsgenossenschaft, verschiedene Stiftungen. Aktuell arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Hilfsmittelnummer zu beantragen. Diese dient Krankenkassen, Ärzt*innen und Patient*innen als Orientierungshilfe. Der Prozess für die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen wird dank der Hilfsmittelnummer vereinfacht.

Zum Schluss: Was treibt Sie und das Team von Scewo an?

Unsere Motivation ist es, die Inklusion von Menschen im Rollstuhl zu fördern. Unser Rollstuhl verfügt zum Beispiel auch über einen Sitzlift, welcher es ermöglicht, an einem Stehtisch Platz zu nehmen oder aber ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen. Wir möchten Grenzen durchbrechen und aufzeigen, dass sich Alltagstauglichkeit bestens mit einem modernen Design kombinieren lässt.

 

Aktion „Scewo erfüllt Wünsche“!

Noch bis zu 3. Januar 2021 läuft die Aktion „Scewo erfüllt Wünsche“. Mit der Aktion bringt Scewo Rollstuhlfahrer*innen an für sie bisher unzugängliche Orte. Teilnehmen können Rollstuhlfahrer*innen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Es genügt eine kurze Beschreibung des Wunsches oder eine Videobotschaft mit der Erklärung, wie Scewo bei der Umsetzung helfen kann. Alle Teilnehmenden erhalten lautet Scewo eine kleine Überraschung.

Die Scewo AG ist für ihren Einsatz für Menschen mit Behinderung mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem ZKB Pionierpreis 2018, einem Preis, der einmal im Jahr von der Zürcher Kantonalbank und dem Technopark an ein vielversprechendes Jungunternehmen verliehen wird. Außerdem hat Scewo den RedDot Award 2019 Best of the Best erhalten, den Preis bei einem der größten Designerwettbewerbe der Welt.

Mehr Informationen und technische Details zum „Bro“ finden sich hier.

 

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