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Superheldenkids:
Wie Kinder ihr „Heldenhirn“ entwickeln

Gefühle erkennen, benennen und lenken ist nicht leicht. Bei den Superheldenkids lernen Kinder das spielerisch.
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Interview: Kristin Frauenhoffer

Gründerin Kathrin Mikan in der so genannten Heldenzone

Seit 2020 gibt es in Regensburg ein Unternehmen, das sich auf die Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern spezialisiert hat. Wer früh anfängt, so die Idee, wird früh Meisterin oder Meister. In diesem Fall allerdings eher ein Held oder eine Heldin. Denn in jedem Kind und in jedem und jeder von uns steckt ein*e Held*in. Davon sind die Psychologin Kathrin Mikan und ihr Mann Karel überzeugt. Sie haben die SUPERHELDENKIDS gegründet und können sich trotz Corona und der damit verbundenen Einschränkungen vor Anfragen kaum retten. Sie unterstützen Kinder dabei, Helden ihrer eigenen Gefühle und damit starke, selbstbewusste Menschen zu werden. Wie das genau funktioniert, hat uns Kathrin Mikan im Interview verraten.  

Frau Mikan, welche Idee steckt hinter „SUPERHELDENKIDS“ und wie ist sie entstanden?

Die Idee entstand aus der Praxis heraus: Seit ca. 20 Jahren arbeite ich mit Kindern und Familien. Ich war zum Beispiel in einer Frühförderstelle. Oder habe eine Station in einer Klinik geleitet, wo das Besondere war, dass die Eltern gemeinsam mit den Kindern aufgenommen wurden. Danach war ich kurz am Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und dann habe ich für mich beschlossen, dass ich Kinder eigentlich schon vorher stärken möchte. Bevor sie in so große seelische Not kommen, dass sie in eine Klinik gehen müssen.

Ich hatte in der Klinik viele Eltern und Kinder, die auf die Frage, was das Kind gut kann, überhaupt keine Antwort wussten. Die waren in so einem negativen Teufelskreis, dass sie sich selbst oder ihr Kind überhaupt nicht mehr positiv sehen konnten. Deshalb haben wir diesen etwas provokanten Titel „SUPERHELDENKIDS“ gewählt, weil wir wissen: In jedem Kind, in jedem Menschen steckt ein Held, eine Heldin, etwas Gutes. Und mit unserer Arbeit möchten wir Kinder stärken.

Wie stärkt ihr Kinder?

Wir zeigen Kindern mit unseren Materialien spielerisch auf, wie Gefühle, Gedanken, Verhalten und unser Gehirn zusammenhängen. Dabei verknüpfen wir praktische Erfahrungen mit Kindern und das theoretische Wissen aus der Gehirnforschung.
Wir haben ein Modell entwickelt und Gefühle mit spielerischen Charakteren besetzt, die sich Kinder, aber auch Erwachsene gut merken können. Das hilft bei der nachhaltigen Umsetzung. Wir erklären Kindern, Eltern und Fachpersonen, was eigentlich im Gehirn passiert, wenn wir fühlen. Wie Gedanken entstehen und wie wir Gefühle und Gedanken beeinflussen, also selbstständig lenken können.

Was passiert im Gehirn, wenn wir fühlen?

Wir haben im Vorderhirn den präfrontalen Kortex. Den nennen wir das „Heldenhirn“. Da liegen ganz viele von den Fähigkeiten, die uns zu Heldinnen und Helden machen. Zum Beispiel, dass wir unsere Gefühle lenken, Impulse steuern, dass wir reflektieren und aus Fehlern lernen können. Dafür brauchen wir das Heldenhirn. Bei Kindern muss das Heldenhirn erst noch reifen. Wir möchten die Kinder dabei begleiten und ihnen Unterstützung bieten. Das tun wir zum einen über Fortbildungen für Fachpersonal und zum anderen über Programme und Materialien für Kinder. Mit denen sollen Kinder und auch Eltern lernen, wie man Gefühle gesund lenken kann. Es ist ein präventives Angebot, das Lebensbasis-Kompetenzen bei Kindern stärkt.

Warum brauchen Kinder so etwas?

Nicht immer haben Kinder ein gesundes Vorbild, wie man Gefühle und Gedanken richtig lenkt. Nicht immer hatten die Eltern oder Erwachsenen, die die Kinder begleiten, selbst dieses Vorbild. Das ist ja wie eine Kette; das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist die Kommunikation, also die Art, wie wir mit Kindern reden. Denn oft ist es so, dass wir, wenn wir Kinder mit herausforderndem Verhalten begegnen, in einen Teufelskreis kommen. Dann sagen wir ständig: Nein, tu das nicht. Nein, das darfst du nicht machen. Das heißt, wir sind ständig in dieser Negativschiene. Ich habe selbst einmal vor vielen Jahre eine Ausbildung gemacht. Da habe ich unter anderem gelernt, wie man Kinder „richtig“ in die Auszeit schickt – als Strafe. Ich habe da gemerkt, dass ich dieses Konzept der Auszeit als Strafe nicht richtig finde. Dass ich ganz anders an die Sache herangehen möchte. Ich möchte Kinder nicht bestrafen und in irgendwelche stillen Ecken oder Treppen schicken.

Was ist so schlimm an der stillen Treppe?

Wir wissen aus der Hirnforschung, dass unser Gehirn keinen Unterschied macht, ob wir einen körperlichen oder einen sozialen Schmerz erleben. Und Ausgrenzung ist immer ein sozialer Schmerz. Das heißt für unser Gehirn: „Ich darf nicht dabei sein.“ Unser Gehirn will aber dabei sein, denn es ist für uns überlebenswichtig, ein Teil der Gruppe zu sein. Wie kann es also sein, dass es Fortbildungen gibt, wie man Kinder „richtig“ in die Auszeit schickt? Und wieso gibt es keine, wie man richtig mit Kindern gemeinsam etwas über Gefühle lernt? Also gemeinsame Lernzeit schafft? So ist dann unser „Gefühlehelden-Konzept“ entstanden.

Was hat es mit den „Gefühlehelden“ auf sich?

Da geht es konkret darum, Kindern Worte für ihre Gefühle zu geben. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Kinder Emotionen im Vorschul- und Grundschulalter umso besser regeln können, je früher sie Worte für ihre Gefühle erlernen. Das heißt, allein die Gefühle erkennen und benennen zu können, ist eine große Hilfe, um sie später lenken zu können.

Wir bieten da verschiedene Möglichkeiten an. Wir arbeiten zum Beispiel mit Symbolen, so dass alle Kinder es verstehen. Man muss dafür kein Deutsch können, man kann auch zeigen, wenn man möchte. Wir möchten den Fokus auf die Handlungsmöglichkeiten lenken. Darauf, was man konkret tun kann. Nicht darauf, was man nicht tun sollte.

Ich war viel in Kitas unterwegs, habe Präventionsprogramme mit Kindern gemacht und dabei fiel mir Folgendes auf: Wenn wir mit Kindern über Gefühle sprechen, passiert es leicht, dass wir uns auf die schweren Gefühle konzentrieren. Wir nennen sie schwere, nicht schlechte Gefühle. Also zum Beispiel Wut, Traurigkeit oder Angst. Wir wissen aber aus der Trauma- und Resilienzforschung, dass es wichtig ist, den Fokus auf die leichten Gefühle zu lenken.

Darauf haben wir unser GEFÜHLEHELDEN-Konzept aufgebaut, wo jedem schweren „Beschützergefühl“ ein leichtes „Starkmachergefühl“ gegenübergelegt ist. So sehen die Kinder, dass sie die Wahl haben. Sie können sich entscheiden, ob sie etwas eklig finden oder ob sie ihr „Neugier-Gfühli®“ – so nennen wir die kleinen Figuren – aktivieren und einmal etwas Neues probieren. Wir können also über Gefühle sprechen und den Kindern zeigen, wie sie Gefühle aktiv lenken können.

Wie genau funktioniert die Arbeit mit den „Gefühlehelden“?

Die Idee ist, dass in den Einrichtungen oder zuhause eine so genannte Heldenzone eingerichtet wird. Das sieht dann so aus, dass man das Poster mit den GEFÜHLEHELDEN an die Wand hängt und mit den Kindern gemeinsam die Frage erarbeitet: Was hilft dir, deine Gefühle zu lenken?
Auf dem Poster sind jeweils vier sogenannte Beschützergefühle (Angst, Wut, Traurigkeit, Ekel) und vier Starkmachergefühle (Fröhlichkeit, Mut, Neugier, Entspannung) in Form kleiner Charaktere. Und dann gibt es Symbole für vier verschiedene Themenbereiche, die zeigen sollen, wie ich Gefühle lenken kann.

Wie kann ich Gefühle lenken?

Das eine ist der achtsame Atem. Wenn ich ruhig atme, kann ich mein Gehirn beeinflussen. Vorher ist eventuell mein Beschützer-Gehirn Chef im Kopf, so dass ich zum Beispiel Angst habe. Aber durch den ruhigen Atem kann ich meinem Gehirn vermitteln: Ich bin in Sicherheit. So kann ich meine Gefühle lenken und beruhigen.
Dann gibt es gemeinsame Zeit, in der man entweder mit einem Kuscheltier oder einem Menschen kuscheln kann, ins Gespräch kommt oder zum Beispiel ein Buch liest. Bei älteren Kinder kann das auch ein Tagebuch sein.
Als drittes gibt es die Ruhezeit. Da geht es darum, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Habe ich Hunger oder Durst? Wir kennen das ja auch, dass wir schnell unausstehlich werden, wenn wir hungrig sind. Da geht es um das bewusste Körpergefühl.
Und als letztes gibt es noch die Entspannung. Eigentlich eine gewollte Anspannung, die zur Entspannung führt. Dafür haben wir eine kleine Energiestation, bei der man seine Hände ganz fest in die Wand drückt und danach dann entspannen kann.

Das hört sich so an, als könnten wir Erwachsenen so etwas auch gebrauchen …

Ja! Das zeigen viele Studien, dass es auch Erwachsenen schwerfällt, Gefühle zu erkennen und zu lenken. Deswegen heißt es auch gemeinsame Lernzeit. Das ist das Schöne daran, wenn man Kinder hat, dass man immer wieder neue Dinge lernen und an sich entdecken darf. Wenn man keine eigenen hat, dann als Erzieherin oder Erzieher in einer Einrichtung. Man wird immer wieder an seine Grenzen stoßen und sich fragen: Wie komme ich da weiter? Mein Kind will nicht so, wie ich will. Und dann geht es darum, in den Austausch zu gehen und Lösungen finden. Niemand ist immer gut gelaunt. Das ist auch nicht das Ziel der „Gefühlehelden-Zone“. Man darf wütend oder traurig sein. Es darf sein, dass man auch einmal etwas aus Wut kaputt gemacht hat. Das Ziel ist, dass man aus diesen Situationen lernt.

Was gibt es noch bei den SUPERHELDENKIDS?

Neben den GEFÜHLEHELDEN gibt es noch die GEDANKENHELDEN für ältere Kinder und das HELDENFORSCHER-Programm für Grundschulen. Und wir bieten auch Fortbildungen an, zum Beispiel die „Gehirnbasierte Kommunikation“. Das ist unsere meistgebuchte Fortbildung. Da geht es zum Beispiel um die Macht der Worte. Sprache ist ein sehr mächtiges Werkzeug. In der Fortbildung sprechen wir darüber, wie ich meine Worte wähle, um die Kooperationsbereitschaft beim Kind zu stärken. Oder wie ich prosoziales Verhalten oder Resilienz stärke. Ich möchte ja, dass mein Kind psychisch gesund aufwächst.

Wir sind gerade auch dabei, eine Online-Akademie zu gründen, die hoffentlich im Herbst starten kann. Bis jetzt haben wir alles live gemacht, aber wir sind so ausgebucht, dass es schwierig ist, dem nachzukommen. Wir möchten gern auch konkrete Anleitungen für die Nutzung der „Gefühlehelden“ in verschiedenen Altersgruppen anbieten. Dabei konzentrieren wir uns auf Kinder im Alter von 2 bis 12 Jahren. Das ist ein guter Zeitraum, um zu lernen, wie man mit Gefühlen umgeht.

Das HELDENFORSCHER-Set

Stichwort Schule: Wie begleitet ihr Kinder im „Heldenforscher-Programm“?

Es gibt den englischen Begriff „Growth Mindset“. Das bedeutet übersetzt ungefähr „Wachstumsdenken“. Dies ist ein wichtiger Teil für mentale Gesundheit, also dem gesunden Umgang mit Gefühlen und Gedanken. Wenn Kinder in die Schule kommen, geht dieses Mindset rapide bergab. Das hat zum einen damit zu tun, dass Kinder anfangen, sich zu vergleichen. Und man vergleicht sich eher mit anderen Menschen oder Dingen, bei denen man schlechter abschneidet. Dann fällt man in ein Loch und sagt schnell mal „Das kann ich nicht“ oder gibt schnell auf. Uns Erwachsenen passiert so etwas auch …

Aus Studien weiß man jedoch, dass man Kinder in dieser Hinsicht sehr gut schulen und stärken kann. Das ist eine große Kompetenz, wenn Kinder lernen: Ich kann es NOCH nicht. Wenn sie lernen, dass die Kraft in ihnen liegt, selbstständig aus negativen Gedanken wieder herauszukommen.

Unser Schulsystem ist leider sehr stark auf das Vergleichen angelegt. Alle erhalten Noten, alle bekommen die gleichen Aufgaben. Alle müssen gleich sein, aber niemand von uns ist gleich. Im Kindergarten dürfen wir noch alle unterschiedlich sein, in der Schule müssen dann alle gleich sein. Nun können wir leider das Schulsystem nicht ändern, aber wir können Kindern und Lehrer*innen Tools an die Hand geben, worauf sie den Fokus legen. Wie motiviert und stärkt man Kinder? Wie kommt man aus diesen „starren Denkfallen“ heraus? Deshalb bezieht das Programm auch Eltern und Lehrkräfte mit ein.

Die Schulklassen werden über ein Jahr lang vom „Heldenforscher-Programm“ begleitet. Gemeinsam wird mit den Schüler*innen die Heldenzone gebaut – als Anlaufort, um eigene Gefühle und Gedanken selbstständig zu regulieren. Das Programm vermittelt Kindern und Lehrkräften ein bestimmtes Vokabular, das sie im Alltag einbauen und mit dem sie sich gegenseitig unterstützen können.

Wie wird das in den Schulalltag eingebaut?

Das „Heldenforscher-Programm“ ist ein hybrides Programm. Das heißt, es gibt zum einen ausgedruckte Materialien, zum anderen Online-Inhalte  wie z. B. Videos für Kinder von Kindern. Das Programm orientiert sich am bayerischen Lehrplan plus. Es wird genau beschrieben, zu welchem Lehrplanziel das passt. Und in der Grundschule kann sich die Lehrkraft das so legen, wie es gerade passt. Die Lehrerin, der Lehrer kannselbst entscheiden, wieviel Zeit sie oder er für bestimmte Themen aufwenden möchte. Wir wollen ja keine Belastung, sondern Entlastung sein.

Die Lehrkräfte, die das Programm getestet haben, waren begeistert. Da kommt unglaublich tolles Feedback. Kinder lernen, mit negativen Gedanken und Stress, die das Lernen blockieren,umzugehen. So hat unser Programm den „Nebeneffekt“, dass auch die Lernfreude und der Klassenzusammenhalt gestärkt werden.

Welche Visionen habt ihr für die SUPERHELDENKIDS?

Mein Traum ist, dass es in jeder Einrichtung und jedem Haushalt eine „Gefühlehelden-Zone“ gibt. Wir wollen auch unser Heldenforscher-Programm, das an den Grundschulen stattfindet, weiter ausbauen und etablieren. Wir sind dabei, unsere Programme extern evaluieren zu lassen. Und in Zukunft würden wir gern im Rahmen der Online-Akademie Zertifikate ausstellen. So möchten wir uns mit unseren Fähigkeiten, unserer Kompetenz und unserem Wissen für mehr mentale Gesundheit in unserer Gesellschaft einsetzen.

Hier geht es zur Webseite der SUPERHELDENKIDS!

 

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